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Bayreuth: Mit diesen Maßnahmen raus aus der Energiefalle

 

Obermeister Bernd Zeilmann: Sektorenkopplung und Energiemanagement als Schlüsselelemente - Forderungen auch bei Zukunftsgesprächen der HWK mit der Politik platziert

Bernd Zeilmann ist Obermeister der Innung für Elektro- und Informationstechnik Bayreuth und seit Jahren ein engagierter Verfechter eines intelligenten Einsatzes von erneuerbaren Energien und ein bundesweit gefragter Experte in diesem Gebiet. "Wir haben alle Komponenten, die wir brauchen, um die Energieversorgung vor Ort teilautark aufzustellen. Das gilt für die Versorgung einzelner Gebäude, wie auch für größere Einheiten oder sogar unsere ganze Region." Allerdings, sagt Zeilmann, brauche es einen ganzheitlichen, konzeptionellen Ansatz zum Energiemanagement und der Sektorenkopplung. Aber dafür seien die technischen Regeln und Normen noch nicht auf den neuesten Stand. Auch würden die Vorteile der digitalen Planung nicht konsequent genutzt und verpufften. "Hier besteht schnellsten Handlungsbedarf", fordert Zeilmann. Denn: "Wir wären von der aktuellen Energiekrise viel weniger getroffen, wenn wir die Energiewende vor Ort konsequenter vorantreiben könnten."

Für den ganzheitlichen Ansatz ist die Sektorenkopplung ein Schlüsselelement. Bei dieser werden die Sektoren Strom, Wärme und Mobilität miteinander gekoppelt und Erzeugung, Speicherung und Verbrauch von Energie intelligent gesteuert. Unabhängig davon, ob Wasserstoff, Wasserkraft, Solar- oder Windenergie als Energieträger eingesetzt würden, und davon, welche Technologie eingebaut wird. "Mit der Sektorenkopplung und einem digitalen Netzanschluss ist es möglich, den Energieverbrauch an die Erzeugung anzupassen. So wird das Netz entlastet und der Ausbau vor allem im Niederspannungsnetz mit geringerem Aufwand umsetzbar. Gleichzeitig spart jeder Einzelne Energie und damit Kosten ein." Anhand des Beispiels der sogenannten NExT Factory der Schaltbau GmbH zeigte Bernd Zeilmann, wie Energiesysteme in der Industrie neu gedacht werden. "Ziel der Energiearchitektur des Unternehmens ist es, klimaneutral und energetisch weitgehend autark zu sein und natürlich auch Energiekosten einzusparen."

 
 

Bernd Zeilmann, der als Experte aus dem Handwerk beim VDE und auch beim Bundeswirtschaftsministerium in verschiedenen Projektgruppen mitarbeitet, hat auch klar formuliert, welche Voraussetzungen die Politik dafür schaffen muss. Diese Forderungen richteten er und die Handwerkskammer-Verantwortlichen bei den Zukunftsgesprächen, die die HWK für Oberfranken seit Wochen mit den oberfränkischen Parteien und den Mandatsträgern aller Ebenen führt, klar an die Politik."Vor allem braucht es schnell verlässliche Grundlagen." Dazu gehören die Standardisierung und die schnelle Ausarbeitung von technischen Regeln für die sektorenübergreifende Planung, Errichtung, Inbetriebnahme und Wartung von energietechnischen Anlagen in Liegenschaften. Aber auch die Integration aller energetischen Maßnahmen und der Energieversorgung schon in die Vorplanung, die eine gemeinsame Datenschnittstelle zwischen Architekten, Fachplanern, der Industrie und dem Handwerk zur Folge hätte. Bernd Zeilmann: "Diese Schnittstelle gibt es mit BIM (Building Information Modeling) schon. Leider wird sie seitens der Architekten und Fachplaner häufig nicht genutzt, obwohl sie bei öffentlichen Aufträgen zum Beispiel schon längst vorgeschrieben ist."

Dass die Zeit dränge, bei der Modernisierung der Energieversorgung endlich Fortschritte zu erzielen, zeige die aktuelle Energiekrise, die auch das Handwerk stark trifft. "Wir könnten aus dieser Abhängigkeit längst ein gutes Stück heraus sein und hätten nicht diese enormen Verwerfungen und Preisexplosionen, die unsere Betriebe, aktuell belasten. Unabhängig von der Einführung der Sektorenkopplung zeigt sich ja jetzt schon, dass Betriebe, die in den vergangenen Jahren auf erneuerbare Energieträger umgestellt haben, heute weniger unter der Energiekrise leiden."

 

Weitere Auswirkungen auf das Handwerk

Das Umdenken beim Energiesystem und die Fokussierung auf einen ganzheitlichen Ansatz habe aber noch mehr Auswirkungen auf das Handwerk. So müssten Gewerke, die bislang unabhängig voneinander qualifiziert wurden, übergreifende Ausbildungs- und Fortbildungsinhalte erhalten. "Berufe des Bau- und Ausbaugewerkes wie Dachdecker, Zimmerer oder Maler, aber auch das Kfz-Handwerk - sie alle gehören zum 'energetischen Handwerk'. Wir brauchen neue, gemeinsame Schulungskonzepte und Reallabore der Energiewende als Demonstratoren für das sektorenübergreifende Zusammenwirken der verschiedenen Bereiche." Allein in Oberfranken betreffe dies rund 40.000 Handwerkerinnen und Handwerker, die aktuellen und künftigen Auszubildenden nicht mitgerechnet. Schließlich würde im Baubereich eine durchgängige digitale Planung schon ab den Leistungsphasen 0 und 1 in den energetischen Handwerken auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken. "Zum einen werden aufwändige Doppelplanungen und Abstimmungen reduziert, wenn alle die gleiche Datenbasis nutzen. Das entlastet unsere vorhandenen Fachkräfte, weil viele Arbeiten automatisiert werden können." Zum anderen könnten beispielsweise Mitarbeitende mit Inklusionsbedarf sehr gut integriert werden. "Um die anstehenden Aufgaben zu meistern, brauchen wir jede helfende Hand!"

 
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